Donnerstag, 21. August 2014

Geostrategische Hintergründe zur Ukraine

Aus dem historischen Überblick sieht man, wie Aufstände immer wieder instrumentalisiert und im Machtkampf von Grossmächten strategisch benutzt werden, zum langfristigen Leiden der sich erhebenden Bevölkerung, siehe z.B. Iran 1953 oder Chile 1973.

Geostrategische Hintergründe zur Ukraine 1

In den westlichen Grosskonzernmedien werden die anglo-amerikanischen, geostrategisch-imperialistischen Rahmenbedingungen völlig ausgeblendet und die Situation in der Ukraine schon dadurch mit schiefen Aussagen fokussiert. Eine Richtigstellung ist zum Teil schon dadurch erreicht, dass diese Aussagen in einem grösseren Zusammenhang betrachtet werden.

Zu unterscheiden ist ebenfalls zwischen militärischer Eroberung eines Staates und der wirtschaftlich-politischen Eroberung mittels Einsetzung einer Marionettenregierung und eventueller Einbindung in eine grössere militärische Institution. Eine genauere Betrachtung sollte zunächst berücksichtigen, was Politiker aus ukrainischen Regierungskreisen über ihre Tätigkeit selber sagen. Im weiteren, was pro-westliche und westliche Instanzen, einschliesslich amerikanischer Politiker aussagen. Weiterhin müssen dann noch die allgemeinen amerikanischen geostrategischen Ziele, die einzige verbleibende Weltmacht zu sein, und verbunden damit die Eindämmung Russlands nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes, der Vasallenstatus der Europäischen Union gegenüber der USA sowie auch das Verhalten Russlands in dieser auch für sich selber ungünstigen Situation berücksichtigt werden.



Gewaltbereitschaft der ukrainischen Regierung

Von den Parteien Swoboda, Rechter Sektor und Vaterlandspartei bestehen sehr konkrete Aussagen zu einer Gewaltbereitschaft gegen Andersdenkende, gegen die russischstämmige Bevölkerung und zum Teil auch gegen Westeuropäer. Z.B.: Unter der Führung eines Swoboda-Parlamentsabgeordneten griffen mehrere Männer den Präsidenten des Nationalen Fernsehen in seinem Büro an, wegen der Ausstrahlung einer Rede Putins zur Krim. Die Partei Swoboda und der Rechte Sektor verehren Stepan Bandera, der mit den SS-Soldaten des Nationalsozialismus eng zusammengearbeitet hat [Stichwort: SS-Waffendivision „Galizien“, Pogrome gegen Juden, Polen und Russen, die Gruppierungen OUN/UPA / UNSO , die von westliche Geheimdienste CIA, MI6, BND übernommen wurden und in der gegenwärtigen Situation in der Ukraine benutzt werden].

Julia Timoschenko von der Vaterlandspartei hat ihren Hass gegen alles Russische ebenfalls sehr deutlich ausgedrückt, etwa unmittelbar nach dem Massaker in Odessa am 2. Mai im Gewerkschafthaus. Poroschenko betrachtet alle Ostukrainer, die mit diesen gewalttätigen Regierungsformen in Kiew nicht einverstanden sind und deshalb eine Föderalisierung des Staates fordern, als Separatisten und Terroristen, die vernichtet (sic!) werden sollten. [Zitat Spiegel].

Diese verbale und physische Gewalt entspricht nicht den berechtigten Forderungen der protestierenden Bevölkerung auf dem Maidan-Platz, ist aber ein Hinweis einer Instrumentalisierung für die imperialistische Ziele einer höheren Instanz, hier die USA.

In diesem Zusammenhang genügt es nicht, dass die Protestierenden sich nicht als amerikanophil betrachten, sondern es ist massgebend, was die ukrainischen Politiker selber tun. Zum Beispiel: Yatsenyuk hat auf seiner offiziellen Webseite Open Ukraine unter unterstützende „Partner“ u. a. das amerikanische Aussenministerium, das National Endowment for Democracy, das NATO-Information-Center, das deutsche Marshall Center als Partner angegeben, die allesamt eine US-imperialistische Haltung durchsetzen, z. T. schon seit Jahrzehnten. Das Marshall Center verfolgt über eine weltweite Elitenbildung in Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Militär, Medien usw., die dann pro-amerikanische Ziele unterstützen, einen Regierungs-Wechsel von oben, die gesponserten NGOs (in der Ukraine über 2000) eine Destabilisierung von unten, von der Bevölkerung aus.

Zu Yatsenyuk wäre auch zu bemerken, dass er eine bedingungslose Annahme der Forderungen des Internationalen Währungsfonds verlangte, ohne jegliche Verhandlungen, was zu massiven Einschnitten bei der schon jetzt völlig verarmten Bevölkerung zur Folge gehabt hätte. Vitali Klitschko wurde mit seiner Partei UDAR gänzlich von der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung als Präsidentschaftskandidat aufgebaut. Yatsenyuk ist dagegen der Wunschpräsident der Amerikaner.

Man beachte, dass nachdem die EU zusammen mit den ukrainischen Parteien am 21. Februar ein Abkommen erzielt hatte, bei dem auch Russland dabei war, dieses durch eine massive Eskalation der Gewalt, unter Einsatz von Scharfschützen zu Fall gebracht wurde. In diesem Abkommen war die USA nicht berücksichtigt. Durch die Eskalation kamen dann Poroschenko und Yatsenyuk an die Regierung, wie in dem abgehörten Telefongespräch von Viktoria Nuland bereits vorher geplant war. Dadurch kam es dann zur Umsetzung des von Frau Nuland derb ausgedrückten „Fuck the EU“ (und natürlich auch Russland).

Bei den oben aufgezeigten Feststellungen handelt es sich um direkte, nicht interpretierte Aussagen und Verhaltensweisen der ukrainischen Politiker, die von der USA breit unterstützt und wegen ihres Verhaltens als faschistisch bezeichnet werden können.

Man beachte vielleicht noch den polnischen Aussenminister Radoslav Sikorski, der sich zunächst als Neokonservativer in den USA in leitender Funktion für den offensiven Raketenschild gegen Russland einsetzte, dann polnischer Politiker wurde und das US-Raketenschildprogramm in Polen durchsetzte. Auf dem Maidan Platz erschien er damals als „neutraler Vermittler“, von den allermeisten Protestierenden wurden er und andere nicht durchschaut. Sikorski ist aber kein Einzelfall, sondern der Westen hat sich auf diese Unterwanderung spezialisiert.

Der Protest auf dem Maidan

Der Protest der Bevölkerung auf dem Maidan wurde etwa ab Anfang Januar für amerikanische Interessen instrumentalisiert. Bei Menschenansammlungen von über 50‘000 wäre es naiv zu glauben, dass diese einfach eine spontane Zusammenkunft ohne jegliche logistische Unterstützung, auch finanzieller Art, durch westliche Institutionen möglich wäre. In diese Richtung ist dann auch die Aussage von Frau Nuland zu verstehen, dass das US-Aussenministerium die Demokratisierung, d.h. den Regimewechsel in der Ukraine bisher mit 5 Mia. Dollar unterstützt hat. Man lese genauer, 5‘000 Projekte à 1 Mio. Dollar, über mehrere Jahre verteilt.

Die massgebende Bedeutung der logistischen Unterstützung durch Geheimdienste anderer Staaten kann an einem Vergleich deutlich werden. Am 21. Februar fegte der Aufstand (mit breiter logistischer Unterstützung westlicher Geheimdienste) die Regierung Yanukowitsch aus dem Amt. Im November wurden die Protestler (noch ohne logistische Unterstützung) von der Polizei verprügelt. In der 2. Augustwoche wurde der Maidan-Platz trotz heftiger Proteste und Einberufung einer Volksversammlung (aber ohne logistische Unterstützung) durch Arbeiter der Verwaltung geräumt. Der Widerstand brach in sich zusammen, weil er zu wenig organisiert war. Von den westlichen Medien wurde dies völlig ignoriert, von den russischen nur kurz aufgezeigt.

Aus dem Gespräch von Frau Nuland ergibt sich auch, dass der nicht weiter untersuchte Einsatz von Scharfschützen auf dem Maidan Platz vor der Eskalation mit den nun regierenden Parteien in Verbindung gebracht werden kann. Diese Strategie der Spannung, bei der die gleichen Schützen sowohl auf Protestierende als auch auf Polizisten schiessen, findet sich auch in anderen Aufständen gegen den USA nicht genehmen Staatsoberhäuptern zwecks Regime-Change statt, wie etwa in Venezuela oder Syrien.

Allgemeine geostrategische Ziele der USA

Zur allgemeinen geostrategischen Lage muss beachtet werden, dass nach dem Kalten Krieg, dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer-Pakts die USA die Möglichkeit gehabt hätte, die NATO ebenfalls aufzulösen und die riesigen Militärausgaben massiv zu kürzen, und diese Gelder in soziale Bereiche umzulenken, was auch heute noch eine weltweite Notwendigkeit darstellt. Stattdessen erfolgte in den 90er Jahren ein finanziell-wirtschaftlicher Vernichtungskrieg gegenüber Russland, der dem Land einen zweieinhalbfach so grossen wirtschaftlichen Schaden zufügte wie der Zweite Weltkrieg. Von diesem Vernichtungskrieg konnte sich Russland unter Putin grösstenteils wieder erholen. Trotzdem musste Putin zulassen, dass die NATO sich nicht nur nicht auflöste, sondern sich fast bis direkt an die russische Grenze ausbreitete. Russland wurde zudem mit amerikanischen Militärbasen eingekreist. Die USA verfolgen seit über 100 Jahren das Ziel einer Weltregierung als neue Weltordnung, dazu ist es nötig Russland und China auf Regionalmächte herunterzustufen und in das amerikanische Weltsystem einzubinden. Da diese sich weigern, droht ein grösserer Konflikt.




Geostrategische Hintergründe zur Ukraine 2


Der führende amerikanische Geostratege Z. Brzezinski betrachtet in seinem 1997 veröffentlichten Hauptwerk The Grand Chessboard [Das grosse Schachbrett] Westeuropa und vor allem Deutschland als „demokratischen Brückenkopf“, um Asien zu erobern. Eurasien als grosses Schachbrett gesehen, auf dem sich die USA gegen die anderen Mitspieler durchsetzen will (siehe Karte). Über die Ukraine schreibt er 1997, dass sie zwischen 2005 und 2010 für ernsthafte Verhandlungen zu einem EU- und NATO-Beitritt bereit sein werde. Seine weiteren Planungen zur EU- und NATO-Osterweiterung wie auch zur Währungsunion wurden weitgehend „termingerecht“ erfüllt. In diesem Buch kritisiert Brzezinski auch die amerikanischen Politiker dafür, dass sie sich den Freiheitswillen von unterdrückten Völkern viel zu wenig für die amerikanischen Ziele der Vorherrschaft zunutze gemacht hätten, was sich bereits 1999 mit der Gruppe OTPOR gegen Milosevic in Restjugoslawien änderte. OTPOR ist seither ein Dienstleistungsunternehmen, von westlichen Geheimdiensten unterstützt, das pro-amerikanische Regimewechsel durchführt, in den Farbrevolutionen, in den verschiedenen Versionen des arabischen Frühlings und 2014 auch in der Ukraine.

Die Politik der Ukraine kann auf dieser Grundlage als vom Westen, vor allem von den USA, völlig unterwandert gelten. Die Ukraine wurde zwar nicht militärisch erobert, aber die mit westlicher Hilfe installierte Putsch-Regierung führt die Ziele der NATO aus.

Ebenfalls 1997 veröffentlichte Brzezinski einen Artikel, in dem er die Ziele der USA aufzeigt: Russland wird im 21. Jahrhundert in drei Teile zerteilt sein (siehe Karte). Diese „US-Zielvorstellungen“ erfolgten, als Russland nach Öffnung der Märkte und dem folgenden US-Angriff mit finanziellen Massen-Vernichtungswaffen fast völlig ruiniert war. Eine solche Teilung ist jedoch ohne einen verlorenen Krieg Russlands nicht denkbar.

In diesem grösseren Zusammenhang muss der Aufstand in der Ukraine betrachtet werden, der bei oberflächlicher Betrachtung rein von der Bevölkerung organisiert erscheint, aber bei genauerer Analyse die deutliche Handschrift eines US-Regime-Change zeigt. Russland kann unter diesen Umständen nicht zulassen, dass die Ukraine in die NATO aufgenommen wird, sprich von der NATO eingenommen wird, eventuell auch, nachdem durch die Medien eine Hysterie wegen einen bevorstehenden russischen Einmarschs geschürt wird.

Die Krim und Russland

Chruschtschow war nicht der Eigentümer der Krim und deshalb 1954 nicht berechtigt, diese zu verschenken. Er hatte dazu weder die Bevölkerung der damaligen Sowjetunion noch die der Krim selbst befragt und überschritt damit seine vorgegebenen Kompetenzen als Staatsoberhaupt. Die Wahlen in der Krim am 16. März 2014 wurden, entgegen den Behauptungen westlicher Medien, sehr wohl von westlichen Wahlbeobachtern kontrolliert, und nach deren Aussagen völlig korrekt durchgeführt. Die auf den Strassen anwesenden russischen Soldaten verhinderten lediglich einen Einsatz des ukrainischen Militärs, sodass die Wahlen überhaupt durchgeführt werden konnten.



Schlussfolgerungen

Bedauerlicherweise sind viele Menschen in der Ukraine durch die verbreitete Hysterie in den Medien stark verblendet und merken nicht, dass Poroschenko und die zur Nationalgarde avancierten faschistischen Schlägertrupps des rechten Sektors mit militärischer Gewalt gegen die ostukrainische Bevölkerung vorgehen (man beachte die Abzeichen auf den Bildern), wobei auch Städte, Dörfer und die Bevölkerung auch mit schweren Waffen wild bombardiert werden - für den Westen ist dies kein Völkermord, sondern wird sogar breit mit Waffenlieferungen unterstützt..

Da die europäischen Politiker die Forderungen der USA weitestgehend umsetzen, kann die EU als Vasall Amerikas angesehen werden.

Russland hält sich mit seinen Aktivitäten stark zurück, obwohl es in den westlichen Medien massiven Beschuldigungen ausgesetzt wird, die aber auf blossen Behauptungen basieren, und zu denen die USA bisher keine Beweise vorgelegt haben.

Die ukrainischen Bevölkerung mit ihrem berechtigten Freiheitswillen sollte sowohl die angeblichen Befürchtungen gegenüber Russland aber auch die momentan sehr viel grösseren Gefahren, welche von Westen ausgehen, berücksichtigen und auf seiner Mitte weiterschreiten. Auf dieser Mitte kann sie dann die Völker anderer Staaten ver-mitte-lnd ansprechen, die diese Verbindungen ebenfalls suchen, von Mensch zu Mensch. Wo dies nicht genügend geschieht, und die Marionettenregierung ihre bisherige Linie weiterführt, droht die vom Westen auch durch Desinformation in den Medien geförderte militärische Eskalation des Konfliktes, der eigentlich ein Krieg gegen Russland ist, in dem Europa nicht abseits stehen können wird. Russland wird aber mit der Bombardierung der Ost-Ukraine und den Nato-Militärübungen von den USA zu einem ersten Schritt provoziert, um so die Schuld zu übernehmen. Die NATO (sprich Washington) intensiviert derweil die Zusammenarbeit mit der Ukraine. Ein eventueller Eingriff Russlands kann vor obigen Hintergrund auch als Selbsverteidigung angesehen werden. Es liegt an der USA und der EU die NATO-Osterweiterung (sprich –Eroberungen) als Krieg gegen Russland nicht weiterzuführen.

Das deutliche Erkennen dieser Sachverhalte ist ein erster Schritt der Opposition, da Gedanken dynamische Kräfte sind.



José García Morales ist Historiker aus Basel.

Er hält regelmässig Vorträge zu diesem Thema, u.a. «Der anglo-amerikanische Ursprung
der europäischen Einigungsbewegung» am Samstag, 27.9.14 in der Scala Basel (Freie Strasse 89).

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