Freitag, 6. April 2012

Gedicht von Günter Grass zum Konflikt zwischen Israel und Iran

 
Günter Grass warnt in der "Süddeutschen Zeitung" vor einemKrieg gegen Iran.
In seinem Gedicht mit dem Titel "Was gesagt werden
muss" fordert der Literaturnobelpreisträger deshalb, Israel dürfe keine
deutschen U-Boote mehr bekommen.


Was gesagt werden muss

Von Günter Grass

Warum schweige ich, verschweige zu lange,
was offensichtlich ist und in Planspielen
geübt wurde, an deren Ende als Überlebende
wir allenfalls Fußnoten sind.
Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,
der das von einem Maulhelden unterjochte
und zum organisierten Jubel gelenkte
iranische Volk auslöschen könnte,
weil in dessen Machtbereich der Bau
einer Atombombe vermutet wird.
Doch warum untersage ich mir,
jenes andere Land beim Namen zu nennen,
in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten -
ein wachsend nukleares Potential verfügbar
aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung
zugänglich ist?
Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,
empfinde ich als belastende Lüge
und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
sobald er mißachtet wird;
das Verdikt "Antisemitismus" ist geläufig.
Jetzt aber, weil aus meinem Land,
das von ureigenen Verbrechen,
die ohne Vergleich sind,
Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird,
wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch
mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert,
ein weiteres U-Boot nach Israel
geliefert werden soll, dessen Spezialität
darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe
dorthin lenken zu können, wo die Existenz
einer einzigen Atombombe unbewiesen ist,
doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will,
sage ich, was gesagt werden muß.
Warum aber schwieg ich bislang?
Weil ich meinte, meine Herkunft,
die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist,
verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit
dem Land Israel, dem ich verbunden bin
und bleiben will, zuzumuten.
Warum sage ich jetzt erst,
gealtert und mit letzter Tinte:
Die Atommacht Israel gefährdet
den ohnehin brüchigen Weltfrieden?
Weil gesagt werden muß,
was schon morgen zu spät sein könnte;
auch weil wir - als Deutsche belastet genug -
Zulieferer eines Verbrechens werden könnten,
das voraussehbar ist, weshalb  unsere Mitschuld
durch keine der üblichen Ausreden
zu tilgen wäre.
Und zugegeben: ich schweige nicht mehr,
weil ich der Heuchelei des Westens
überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen,
es mögen sich viele vom Schweigen befreien,
den Verursacher der erkennbaren Gefahr
zum Verzicht auf Gewalt auffordern und
gleichfalls darauf bestehen,
daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle
des israelischen atomaren Potentials
und der iranischen Atomanlagen
durch eine internationale Instanz
von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.
Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern,
mehr noch, allen Menschen, die in dieser
vom Wahn okkupierten Region
dicht bei dicht verfeindet leben
und letztlich auch uns zu helfen.


http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-zum-konflikt-zwischen-israel-und-iran-was-gesagt-werden-muss-

3 Kommentare:

  1. Interessant, der Link zur Süddeutschen funktioniert nicht (mehr ?). Hat man sich zu weit aus dem Fenster gelehnt oder doch nur "Serverprobleme" ? :)

    AntwortenLöschen
  2. Grüss dich Andre

    Weiss auch nicht was da los ist, aber hab das Gedicht von der SZ kopiert...

    Auf jeden fall schau dir das mal an

    http://www.n-tv.de/politik/So-falsch-liegt-Guenter-Grass-article5971446.html

    AntwortenLöschen
  3. Danke Sam,

    auf der NTV Seite gibts ja noch mehr Nachrichten dazu: Die programmatischen Empörungsrufe von jüdischer Seite (zumindest in den Vordergrund gehoben) - wobei ich schmuzlend anmerken muss, dass die hiesige jüdische Vorzeigeprominenz anscheinend ihr eigenes Volk (in Israel) nicht versteht und einheitlich nachplappert was opportun erscheint (auf Deutsch gesagt: "Scheißt doch mal auf Geiferer wie den ollen Reich-Radetz..Ranitz..Radauski!")..die übliche Nazikeule gegen Grass' SS-Vergangenheit - ist doch sonnenklar - und der Gegenartikel ist aus meiner Sicht nix als Haarspalterei (Miniaturausgabe von "Teile und Herrsche"). Schließlich ist Grass Schriftsteller/Dichter oder ist es da mit der künstlerischen Freiheit dann doch nicht mehr soweit her ?

    Allein die aufgeworfenen Wogen sprechen eine deutliche Sprache hinsichtlich der Verlogenheit und Heuchelei unserer lei(d)tkulturellen Hampelmänner...DAS ist widerlich nicht Grass' mutiger Versuch mal Klartext herzustellen und das wiederzugeben was allgemein hinter dem schönen Schein angepasster Speichelleckerei und Ignoranz in unserer hübschen "BRD" (muss man mittlerweile ja auch in Anführungszeichen setzen wie seinerzeit die "DDR")vor sich hinbrodelt...

    Gott ist das alles eine verlogene Scharade....

    AntwortenLöschen