Dienstag, 7. Dezember 2010

Heute ist der "Bankrun" - Tag in Frankreich


Er war immer ein Angreifer - auf dem Platz, wo er als Stürmer von Manchester United für Tore wie am Fließband sorgte und manchmal seine Mannschaftskollegen verprügelte: Eric Cantona. Jetzt will er wieder angreifen - diesmal allerdings einen ziemlich übermächtigen Gegner: die Banken und das Finanz-System. Seine Idee: Wenn heute möglichst viele Kunden möglichst viel Geld von ihren Konten abheben, dann könnte das die Banken stärker in Bedrängnis bringen als jede Großdemo.
Von Johannes Duchrow, NDR-Hörfunkstudio Paris

Es war eigentlich ein Nebensatz von King Eric, der die französischen Banken in Aufruhr versetzt hat. Der Fußballer, der in den 80er- und 90er-Jahren Frankreich und Großbritannien gleichermaßen begeisterte, erzählte in einem Interview von seinem Engagement gegen Obdachlosigkeit.

Ein Satz - Hunderttausende Klicks

Und dann ein Satz, der im Internet inzwischen mehrere hunderttausend Mal abgerufen worden ist: "Wenn wir von Revolution reden, dann werden wir nicht zu den Waffen greifen und keine Menschen umbringen. Es ist viel einfacher: Das System ruht auf der Macht der Banken, kann also auch von den Banken zerstört werden. Statt mit drei Millionen Menschen auf der Straße zu demonstrieren, heben die drei Millionen ihr Geld ab, dann brechen die Banken zusammen."





Kurz danach griffen zwei Schauspieler die Aktion auf und legten ein Datum fest: den heutigen Dienstag. Und sie lieferten die politische Erklärung zur Aktion: "Wir wollen, dass Banken nur den Reichtum verleihen können, den sie auch haben. Banken, welche den kleinen und mittleren Unternehmen helfen, Arbeitsplätze zu schaffen und Bankkredite ohne Zinsen zu bekommen. Banken, die Projekte unterstützen, die den Bürgern von Nutzen sind, statt dem Markt."

Tausende Zusagen in wenigen Tagen

Im Internet-Netzwerk Facebook fanden sich in wenigen Tagen 40.000 Franzosen, die fest zusagten: Ich hebe am 7. Dezember mein Geld ab. So auch dieser Student aus Toulouse: "Wir wollen die Macht über unser Leben zurück und entscheiden, was aus Europa und Frankreich wird. Und wir wollen, dass unsere Stimme von der Politik wirklich gehört wird."

Lagarde: eine Provokation

Ex-Fußballprofi Eric Cantona in Berlin (Oktober 2009) (Foto: picture-alliance/ dpa)  
[Bildunterschrift: Ex-Fußballprofi Eric Cantona in Berlin (Oktober 2009) ] Die Stimme des "Fussball-Rentners" wurde gehört - sogar von Finanzministerin Christine Lagarde: "Bei ihm kommt es doch auf eine Provokation mehr nicht an. Er ist ein riesiger Fußballspieler, aber ich glaube nicht, dass man ihm bei allen seinen Vorschlägen folgen muss."
Die Medien können sich nicht entscheiden. Sollen sie - wie Finanzministerin, Bänker und sogar Bankgewerkschaften - vor der Aktion warnen oder den Aufruf einfach totschweigen? Ihr Problem: In England brachte eine Schlange von Kunden vor der Northern-Rock-Bank dem ohnehin angeschlagenen Institut den Ruin.

"Ein ganz kleiner Unverantwortlicher"

Klar ist: Überall in der Welt verleihen die Banken mehr, als sie haben. Das gehört zum System. Und die drei Millionen Bankkunden, von denen Fußballer Cantona im Interview spricht, die könnten das Bankensystem tatsächlich erschüttern. Der Wirtschaftswissenschaftler Henri Sterdyniak findet es im bisherigen Maßstab allerdings vor allem eine gelungene Aktion, um auf die wirtschaftliche Einflussnahme der Banken aufmerksam zu machen: "Die Finanzmärkte, die gegen den Euro spekulieren sind unverantwortlich. Verglichen mit denen ist Cantona ein ganz kleiner Unverantwortlicher."

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